Der Schützenbrunnen und der Neunkirchener Wald
Quelle: Fickert, Jan/Bleiching, Rudolf/ Zenglein, Dieter (2004): Neunkirchen am Potzberg. 675 Jahre. 1329–2004. (Hg. von der Ortsgemeinde Neunkirchen). Waldmohr: Göddel & Sefrin. S. 126-129.
Es war eine knallheiße letzte Juniwoche damals 1998. Für den 28.06. war das Waldfest am Schützenbrunnen anberaumt. Die Einweihungsfeier sollte es werden für den neu erstandenen, weitläufig mit massiven Holztischen und -bänken angelegten Walderholungsplatz - die so genannte „gute Stube der Neunkirchener im Grünen“. Der damalige Bürgermeister Ernst Groß hatte den Anstoß gegeben, den wunderschönen Waldplatz mit der emsig sprudelnden Quelle und dem kreisrunden, dunkel schimmernden Teich aus seinem fast 40-jährigen Dornröschenschlaf zu erwecken. Über zwei Jahre war Günter Zinßmeister mit seinen Helfern an dem idyllischen Platz im Neunkirchener Gemeindewald am Werk. Der Schützenbrunnen sollte ein neues Gesicht bekommen. Anstelle des einfach von Feldsteinen umsäumten Brunnenrohres wurde eine kunstvoll gestaltete Brunnenmauer errichtet mit einer nach beiden Seiten abfallenden Dachabdeckung. Als Material wurden sorgfältig behauene Sandsteinplatten ausgewählt. Das letzte Waldfest am Schützenbrunnen hatte im Juli 1964 stattgefunden.
Mitten in die Mauer war ein großer, glatt geschliffener, schildförmiger Stein mit der Inschrift: „Schützenbrunnen 1996“ eingelassen. Die Verbindung von der Brunnenmauer zum Teich wurde mit Natursteinpflaster vom Potzberg neu gestaltet. Das Wasser läuft nun in einer breiten, beiderseits nur leicht geneigten Rinne in den mit allerlei Wassergetier belebten kreisrunden Teich. Seine geheimnisvoll schimmernde Oberfläche wird geschützt durch einen neuen unaufdringlichen Lattenzaun.
Forstassessor Moser, der Erbauer des Moserturmes auf dem Potzberggipfel, hatte sich auch hier im Neunkirchener Wald ein Denkmal gesetzt. Zusammen mit seinen Feld- und Waldschützen hatte er im Jahr 1894 erstmals den Schützenbrunnen angelegt. Besagten Teich ließ er auf der Abraumhalde einer ehemaligen Quecksilbergrube errichten. Das Wasser, das den Teich speiste, sickerte aus einer Stollenquelle. Damals, gegen Ende des 19. Jahrhunderts war in Neunkirchen. wie in anderen umliegenden Orten auch, ein Kriegerverein, eine Art Waffenbrüderschaft, entstanden. Waren es nun diese Schützenvereine, die dem neuen Brunnen den Namen gaben oder Mosers Feld- und Waldschützen? Wir wissen es nicht genau.
Viele Bürger können sich noch daran erinnern, dass der Platz um den Schützenbrunnen ansehnlich hergerichtet war und zum Verweilen einlud. Vor und nach dem 1. und 2. Weltkrieg wurden so manche Feste hier gefeiert. Der Gesangverein Neunkirchen hielt am 26. Mai 1935 sein 60-jähriges Stiftungsjubiläum am Schützenbrunnen ab. Der schöne Waldplatz wurde von den Mitgliedern des Vereins entsprechend hergerichtet. 12 Gesangsvereine nahmen an dieser Veranstaltung bei schönem Wetter teil. So finden wir es in den Annalen des Gesangsvereins.
Bei manchen Neunkirchenern noch in Erinnerung ist das Wald- und Heimatfest am 7. Juli 1964. Auch da hatten die Neunkirchener ihren Gemeinsinn und ihre Heimatliebe gezeigt, als in monatelangen Vorarbeiten viele freiwillige Helfer, vor allem aus den Reihen der Neunkirchener Feuerwehr, die etwas herunter gekommenen Anlagen wieder auf Hochglanz brachten. Mit ihrer Hilfe wurden sogar eine Waldhütte und eine Bühne errichtet. Etwa 1000 Besucher nahmen anschließend an diesem Fest teil, dessen Programm von den Schulkindern aus Neunkirchen, Ober- und Niederstaufenbach unter Leitung ihrer Lehrer Bleiching, Kühne und Schweitzer erfreulich gestaltet wurde. Geboten wurden ferner Gesangsvorträge der Vereine aus Godelhausen, Nieder- und Oberstaufenbach sowie Neunkirchen. Die sonstige musikalische Ausgestaltung hatte der Musikverein Niederstaufenbach übernommen. Allen Mitwirkenden wurde herzlicher Beifall als Dank zuteil. Der damalige Neunkirchener Bürgermeister Reinhold Gehm hatte den Anstoß zu dem Volks- und Heimatfest gegeben und in seiner Ansprache darauf hingewiesen, dass man sich nicht immer mit ernsten Problemen beschäftigen könne, sondern auch Lebensfreude und Lebenslust in fröhlicher Gemeinschaft pflegen sollte. Solch ein schönes Fest an so einem schönen Ort sei dazu eine gute Voraussetzung. Es biete auch sozial schwächeren Menschen an freien Wochenenden in gesunder Berg- und Waldluft Entspannung und Erholung. Doch solche richtungsweisende Erkenntnisse stießen in den darauf folgenden Jahren bei den Bürgern auf taube Ohren. Man reiste in immer fernere Länder, wohnte in immer luxuriöseren Hotelanlagen. Interessante Wanderziele im Heimatwald waren nicht gefragt.
Fast 35 Jahre, ein halbes Menschenleben, ist der idyllisch gelegene Platz rund um den Brunnen und den Weiher sich selbst überlassen worden, in Vergessenheit geraten und sein kümmerlicher Zustand konnte letztendlich keinem Besucher und Wanderer noch Freude bereiten. Schließlich förderten noch mutwillige Zerstörungen den Zerfall des einstigen schönen Platzes.
Wie Revierleiter Hesch vermutet, wurde der Teich am Schützenbrunnen damals als Feuerlöschteich angelegt oder zum Bewässern von Pflanzgärten, die in der Nähe lagen genutzt. Interessanterweise hat der Schützenbrunnen wohl nie aufgehört zu sprudeln, auch nicht in dem Rekordsommer 2003, im Gegensatz zum Faulenborn.
Die Quelle ist tief gefasst. Unterhalb vom Schützenbrunnen breiten sich zwei sumpfige Stellen aus, wo mineralhaltiges, orangefarbiges Wasser herausquillt, ähnlich wie am „Gelben Wasser“. Eine Stufe tiefer wächst sogar Torfmoos, der einzige Platz, der im Potzberg dafür bekannt ist. Revierleiter Hesch sagte dazu: „Wir suchten mit der Potzbergschule unter den Steinen nach Lebewesen. Wir fanden absolut nichts, alles war dort tot. Das kommt von der Säure.“
Im Teich selbst und drum herum findet man die Erdkröte, die Ringelnatter wurde schon beobachtet, Grasfrosch und Feuersalamander sind heimisch. An Insekten kommen auch die Steinfliege und der Strudelwurm vor. Alles Anzeichen für die Gewässergüte.
Durch die Säure und den niederen pH-Wert werden Schwermetallionen freigesetzt, doch „ab und zu von diesem Wasser trinken kann nicht schaden“, meinte Hesch. Es wurden schon Leute gesehen, die sich mit Kanister Wasser holten. Zweifellos ist der Schützenbrunnen das „Glanzstück“ des Neunkirchener Waldes.
Immerhin umfasst er eine Fläche von 131 ha. Drei Viertel davon kann mit dem Schlepper befahren werden. Der Rest ist dafür zu steil. Zusammen mit dem Gemeindewald von Bosenbach, Jettenbach, Ober- und Niederstaufenbach sowie Föckelberg gehört der Neunkirchener Wald zum Revier Bosenbach mit insgesamt 1.150 ha und wird augenblicklich von dem Revierleiter Hesch verwaltet. Diesem unterstehen drei Waldarbeiter. Zusammen mit einem Unternehmer, der über forstwirtschaftliche Geräte und einen „Vollernter“ verfügt, werden die notwendigen Arbeiten durchgeführt. Seit über 30 Jahren ist der Neunkirchener Wald für die Gemeinde jedoch ein Zuschussgeschäft. Früher konnten des öfteren Werteichen mit A-Qualität nach Frankreich in die Region Limousin für Eichenfässer zum Lagern der wertvollen Barriqueweine verkauft werden. Wie Ernst Groß berichtet, musste gegenüber dem französischen Händler nur eine Bedingung erfüllt werden: Die Eichen mussten bei Vollmond geschlagen werden! Für 200,00 DM pro Festmeter musste man diese Bedingungen erfüllen!
Auch nach Irland wurden schon starke Douglasien von der Sorte "Wiener Kathedrale", wie sie am Schützenbrunnen stehen, verkauft. Sie wurden in Irland für Strommasten verwendet. Bis 140 DM pro Festmeter konnten da schon erlöst werden. Buchen aus dem Neunkirchener Wald gingen auch schon nach China. Eine richtig gute Einnahmequelle für die Gemeinde war früher der Brennholverkauf. Durchschnittlich wurden 150 Ster im Jahr verkauft.
Die öffentliche Versteigerung fand im Gasthof „Alt“ oder im Gasthof „Häßler“ statt. Der Preis für den Ster einer bestimmten Holzsorte, die „Taxe“ war festgelegt. Sie betrug beispielsweise 30,00 DM für einen Ster Buchenholz. Darüber wurde vom Gemeindeinspektor Protokoll geführt. Die Leute gingen zuvor hinaus in den Wald und inspizierten das vom Gemeindeschütz Meier geschlagene, sterweise aufgesetzte Holz hinsichtlich seiner Qualität und des Standortes. Wollte man ein Los unbedingt erwerben, gab man ihm auf dem mitgeführten Notizblock 2 oder 3 Striche, das bedeutete, man musste unbedingt höher steigern als die Taxe! Bei diesen jährlichen im Frühjahr stattfindenden Holzversteigerungen war auch die lange Zeit älteste Bürgerin Neunkirchens, Katharina Weisenstein, wohnhaft in der Hüttenstraße, eine jahrelange eifrige Holzsteigerin. Noch mit fast 90 Jahren steigerte sie mit. Einmal fragte sie nach, weil sie nicht recht verstanden hatte: „Wo sitzt das Holz“" Ernst Groß, der Protokoll führte, rief die spaßige Bemerkung in die Wirtsstube hinein: „Das Holz sitzt im Wald!“, worauf sich „Weisensteins Kattchen“ entrüstet nach dem Rufer umschaute und sagte: „Du Lauser!“
Heuer hat der Brennholzverkauf, bei den hohen Ölpreisen verständlich, wieder etwas Auftrieb bekommen. Für die Kachelöfen, die verstärkt in Neubauten eingebaut werden, sowie „Schwedenöfen“ ist Holz der richtige Brennstoff. Immerhin hat 1 Ster Holz den gleichen Brennwert, wie 220 l Öl. Im Frühjahr hat sich der Neunkirchener Gert Eislöffel nach Anweisung durch Revierleiter Hesch nach und nach 65 Ster Holz selbst geschlagen, aufgesetzt und mit seinem Traktor nach Hause gefahren.
Seit dem Bau der zentralen Wasserversorgung für das Dorf um 1905 waren es eigene Quellen im Potzbergwald, auf die man zurückgreifen konnte. Um den notwendigen Druck von 4 bar am Wasserhahn zu erreichen, besonders auch für das Oberdorf. musste in den 60er Jahren der neue Hochbehälter am Rosenweg gebaut werden. Doch durch die Verbesserung der Lebensqualität mit der Anschaffung von Spülklos und aufwändigen Bädern, Wasch- und Spülmaschinen war der Wasserverbrauch der Leute sprunghaft gestiegen. Die Potzbergquellen reichten nicht mehr, um den Wasserbedarf in Neunkirchen zu decken. Tiefbohrungen, vom Geologischen Landesamt Mainz geleitet, brachten für einige Jahre eine Besserung der Wasserversorgung.
Aber auch andere Probleme machten den Verantwortlichen Kopfschmerzen: Immer häufiger auftretende Wasserrohrbrüche ließen das wertvolle Nass versickern, und es war oft schwierig, die Bruchstellen auszumachen und zu reparieren. Ernst Groß konnte ein Lied davon singen, als gleich nach seinem 1. Amtsantritt als Bürgermeister im Januar 1972 ein schwer auffindbarer Bruch das Dorf wochenlang in Atem hielt und zur Wasserrationierung zwang. Ernst Groß: „Ich musste damals gleich viel Kritik einstecken!“
Noch zu Bürgermeister Gehms Zeit musste die Wasserleitung grundlegend erneuert werden. Sie wurde komplett von Tonrohren und Tonmuffen auf Kunststoffrohre umgestellt. Zur Finanzierung dieser unumgänglichen Maßnahme musste die Gemeinde den damals sehr hohen Betrag von 20.000,00 DM schnell bereitstellen. Für Gehm war klar, dass der Gemeinde durch diese Maßnahme nicht noch weitere Schulden aufgebürdet werden dürften. Mit dem Gemeinderat beschloss er, das Wasserleitungsprojekt mit dem Verkauf von Eichen aus dem Gemeindewald zu finanzieren. Im Föhrwald unterhalb des Sportplatzes standen diese 80- bis 100-jährigen Werteichen in A-Qualität. An und für sich waren sie schnittreif. aber das Forstamt Kusel als untere Forstwirtschaftsbehörde hatte Einwände. Gehm entschloss sich, die notwendige Zahl von 100 Festmetern Eichenholz zur Fällung selbst anzureißen. Der Feldschütz Meier wurde beauftragt die Eichen zu fällen. Eine Firma aus dem Hunsrück bezahlte den damals hohen Preis von 110,00 DM pro Festmeter und damit war die Finanzierung der neuen Wasserleitung gesichert. Dem früheren Landrat Gustav-Adolf Held, der der Gemeinde Neunkirchen sehr gewogen war, gelang es das erzürnte Forstamt Kusel zu besänftigen. So hat der Gemeindewald schon immer das Leben in unserem Dorf mitgeprägt. Ja man kann auch sagen, dass das besondere Lebensgefühl, das viele Neunkirchener in ihrem Ort empfinden, mit dem Potzbergwald, der Nähe zur einigermaßen intakten Natur, Feld und Flur zusammenhängt.
Doch die Zukunftsaussichten für unseren Wald sind nicht sehr rosig: Durch den Jahrhundertsturm „Wibke“ im Jahr 1990 wurden in Neunkirchen 5 ha Nadelholz zerstört, durch die Trockenheit und durch Borkenkäferbefall im vergangenen Jahr gingen ein weiterer Hektar Wald verloren. Die Übersäuerung der Waldböden ist trotz massiver Kalkung aus der Luft in den 90er Jahren heuer wiederum stark fortgeschritten.
Revierleiter Hesch meint etwas resigniert: „Der Wald stirbt weiter und keiner redet mehr davon! Der jährlich neu herausgegebene Waldschadensbericht wird von der Öffentlichkeit schweigend zur Kenntnis genommen und dann wird zur Tagesordnung übergegangen!“