August Becker und das Land am Potzberg
Der Pfälzer Schriftsteller schuf mit seinem Buch „Die Pfalz und die Pfälzer“ ein detailliertes Gesamtbild der Region
Eigentlich hätte aus seinem Werk ein Reisebericht entstehen sollen. Was daraus wurde, ist ein detailliertes Mosaikbild unserer Region, in dem der Autor die Bilderwelt seiner Heimat festhält und das zu einem nicht mehr wegzudenkenden Quellenwerk der pfälzischen Heimatliteratur wurde.
August Becker wurde am 28. April 1828 als Sohn eines Lehrers in Klingenmünster geboren. Nach Besuch der Lateinschule in Bergzabern ging er nach München, um dort von 1847 bis 1850 Geschichte, Philosophie und Ethnographie zu studieren. Als Schriftsteller spannte er sein Programm in mehr als zwei Dutzend Büchern von der landes- und volkskundlichen Schilderung bis hin zum breitflächigen Roman.
Das Buch „Die Pfalz und die Pfälzer“ entstand auf Anregung des Leipziger Verlagsbuchhändlers J.J. Weber hin und sollte ursprünglich als Reisehandbuch 1856 erscheinen. Bei seinen Studien und Wanderungen kam jedoch sowiel Stoff zusammen, dass das Werk im Mai 1857 in weit größerem Umfang in Druck ging. In fünf Hauptkapiteln beschäftigt sich Becker mit der Pfalz und führt und ihrer landschaftlichen Schönheit, ihrer Sprache, schicksalsreichen Geschichte, ihrem Kulturgut und den Vorzügen und Schwächen ihrer Bewohner. Im Vorwort wünscht er sich, dass sich das Werk „bald den Besuchern der Pfalz unentbehrlich erweist und auch den Pfälzern willkommen erscheint: als ein treuer Spiegel ihrer selbst und ihres Landes, auf das sie mit Recht stolz sind."
Trotz dem vielen Lob bei Erscheinung des Buches hat sich die August Beckers ihm gegenüber lange Zeit wenig dankbar gezeigt und dem Buch wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg größeres Interesse entgegengebracht. Das Werk trug ohne Zweifel entscheidend zum Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Menschen bei und machte Becker zum Begründer der pfälzischen Volkskunde. Seine Sehnsucht, in der Heimat leben und schaffen zu können, ist nie erfüllt worden. Am 23. März 1891 starb der Volksmann und Schriftsteller einsam an seinem letzten Wirkungsort Eisenach. 1930 wurden seine Gebeine an seinem Geburtsort überführt und beigesetzt.
In dem Kapitel „Das Land am Potzberg“ berichtet Becker von seiner Reise zum Potzberg im vorigen Jahrhundert: „Von Kusel aus, das Tälchen entlang nach Altenglan wandernd, dann ein Viertelstündchen glanaufwärts nach dem Bergmannsdorf Mühlbach, kommen wir von da aus auf den Potzberg. Hoch trägt er seine waldige Kuppel als einer der mächtigsten pfälzischen Berge über die idyllische Glangegend, ein Beherrscher des Westrichs. Sein Haupt ragt 1940 bayerische Fuß übers Meer; das Glantal und Staufenbacher Tal umschließen seinen Fuß. Er ist herrlich überwaldet bis zur hohen Kuppe, die eine schöne Bergwiese bildet und nun frische Anlagen und ein Belvedere zeigt. Volksfeste und Liederfeierlichkeiten sollen von jetzt an hier oben abgehalten werden. Die unteren Halden tragen die Bergfelder der Dörfer, die an seinen hohen Abhängen liegen, sein Inneres birgt große Quecksilbergruben. Von Mühlbach aus führt ein Weg an den Halden hinauf, am ‚Waldschütz‘ und ‚Erbstollen‘ vorüber, zum ‚Dreikönigszug', von dem die Quelle der Schlucht zum Glan hinabrauscht. Nordöstlich führt eine Schlucht mit einem Wässerchen zum ‚Hutschbach‘ und weiter östlich zum ‚Elisabethenstollen‘. Höher oben, auf dem westlichen Hang, finden wir die ‚Davidskron‘. Außerdem treffen wir auf dem Potzberg noch die zum Teil verlassenen Werke ‚Hülfe Gottes‘, schon 1774 eröffnet, ‚Freiwillen‘ und ‚Kellerspülchen‘, Namen, die uns an heimelige Bergmannssagen erinnern, die so recht den Potzberg umschweben und seine dunklen Schachte durchschweben. Das heimliche Gerede von den Zwergen und Kobolden in den kühlen Gängen, von den Erdgeistern und dem Bergkönig in der Tiefe des Schachts kommt in den Sinn.
Hoch am Osthang des Berges, fast auf der Höhe desselben, zeigt sich das Bergmannsdorf Föckelberg. In den düsteren Stollen aber schimmern die Grubenlichter und der eintönige Hammerschlag hallt durch den dunklen Gang; dort, wo das kleine Licht zittert, sucht eine arme Menschenseele nach den Schätzen der Erde, während Frau und Kinder daheim oft in Sorgen warten. Aber der Bergmann arbeitet ruhig weiter und eintönig klingen die kleinen Hämmer der Bergmannsknaben, die aus dem zutage geförderten Gestein die Quecksilberstufen herausschlagen. Der Dreikönigszug ist das Hauptwerk des Potzberges, das bedeutendste der Pfalz; es liefert jährlich 20000 Pfund Quecksilber und ist schon seit 1776 eröffnet. Eine Fahrt in die tiefen Schachte wird hier besonders belehrend, wenn man Gelegenheit hat, sie mit dem Verwalter, Herrn Günther, zu machen. Dann interessiert wohl auch das Laboratorium dieses Koryphäen im Bergfach, dessen kostbare Mineraliensammlung und treffliche mineralogische Karte des pfälzischen Gebirges.“
Was Becker über die Leute am Potzberg schreibt, lässt uns heute schmunzeln: „Auf dem Weg nach Neunkirchen, das hoch an den Südhalden des Berges liegt, übersehen wir das umliegende Land gegen Süden bis zu den Moortälchen am Landstuhler Bruch. Nur die stattlichen Kuhherden beleben die zum Teil dürren Höhen; die Menschen sind hier ganz besonders still. Mit bleichen Gesichtern gehen sie ,mayen` oder an ihre Arbeit; nur der Branntwein ist ihr Tröster und Sorgenstiller. Sie haben auch bei weitem nicht den stattlichen Wuchs der Pfälzer, ja, die unvorteilhafte Statur der Leute am Potzberg ist fast sprichwörtlich geworden. Über das Gehügel und Getal schauen als erhabene Kuppen allein der Potzberg, Hermans-, Sell- und Königsberg.“
Quelle: Die RHEINPFALZ (Westricher Rundschau), 30. September 2002, Verfasser: Jan Fickert